Wo ist der “Christ” im “Christentum”?

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Beschreibung: Folgt das Christentum tatsächlich den Lehren Jesu´ und der frühen Apostel?

  • von Laurence B. Brown, MD
  • Veröffentlicht am 31 Mar 2008
  • Zuletzt verändert am 03 Feb 2013
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Arm Bester

Where_is_the__Christ__in__Christianity__001.jpgReligiöse Gelehrte haben lange Zeit die Doktrinen des christlichen Glaubens eher an Paulus´ Lehren festgemacht, denn an denen Jesu´.  Aber so gerne ich in dieses Thema springen möchte, halte ich es für angebrachter, zurückzugehen und einen kurzen, spekulativen Blick auf das Alte Testament zu werfen. 

Das Alte Testament lehrt, dass Jakob mit Gott gekämpft hat.  Tatsächlich berichtet das Alte Testament nicht nur, dass Jakob mit Gott gekämpft hat, sondern dass Jakob Ihn überwältigt hat (1. Mose 32:24-30).  Nun, berücksichtigen wir, dass wir über ein kleines Tröpfchen Protoplasma sprechen, das mit dem Schöpfer eines Universums von 240,000,000,000,000,000,000,000 Meilen im Durchmesser, mit über einer Billion Galaxien, von denen unsere – die Milchstraße – nur eine davon ist (und eine kleine noch dazu), kämpft und gewinnt?  Tut mir leid, aber da muss jemand nicht ganz bei Verstand gewesen sein, als er diese Stelle geschrieben hat.  Der springende Punkt ist, dass uns diese Passage in Verlegenheit zurückläßt.  Wir müssen entweder den jüdischen Gottesbegriff hinterfragen, oder ihre Erklärung akzeptieren, dass “Gott” in dem oberen Vers nicht “Gott” bedeutet, sondern es bedeutet wohl eher ein Engel oder ein Mann (was im Grunde bedeutet, dass dem Alten Testament nicht getraut werden kann).  In der Tat ist diese textliche Schwierigkeit so problematisch geworden, dass man versucht hat, sie in neueren Bibelexemplaren zu verdecken, indem “Gott” mit “Mann” übersetzt wurde.  Was sie aber nicht ändern können, ist die jüdische Urschrift, von der die anderen übersetzt werden, und darin steht noch immer “Gott”.

Unglaubwürdigkeit ist ein wiederkehrendes Problem des Alten Testaments, das bekannteste Beispiel ist die Verwechslung zwischen Gott und Satan!  Im 2.Samuel 24:1lesen wir:

“Und der Zorn des HERRN entbrannte abermals gegen Israel, und er reizte David gegen das Volk und sprach: Geh hin, zähle Israel und Juda!”

Indessen stellt das erste Buch der Chroniken 21:1 fest: “Und der Satan stellte sich gegen Israel und reizte David, dass er Israel zählen ließe.”  Also wer jetzt?  Der Herr oder Satan?  Beide Verse beschreiben dasselbe Ereignis in der Geschichte, aber der eine spricht von Gott und der andere von Satan.  Das ist ein großer Unterschied! 

Die Christen mögen glauben, dass das Neue Testament frei ist von derartigen Schwierigkeiten, aber sie werden bitter enttäuscht.  Tatsächlich gibt es darin so viele Widersprüche, dass viele Schriftsteller Bücher über dieses Thema geschrieben haben.  Zum Beispiel: Matthäus 2:14 und Lukas 2:39 unterscheiden sich darin, ob Jesus´ Familie nach Ägypten oder nach Nazareth floh.  Matthäus 6:9-13 und Lukas 11:2-4 unterscheiden sich in dem Wortlaut des “Vater unser”.  Matthäus 11:13-14, 17:11-13 und Johannes 1:21 sind darüber uneins, ob Johannes der Täufer Elia war oder nicht. 

Die Dinge werden noch konfuser, wenn wir die Arena der legendären Kreuzigung betreten: Wer trug das Kreuz – Simon (Lukas 23:26, Matthäus 27:32, Markus 15:21) oder Jesus (Johannes 19:17)?  War Jesus mit einem scharlachroten Gewandt bekleidet (Matthäus 27:28) oder mit einem purpur-roten Gewandt (Johannes 19:2)?  Taten die römischen Soldaten Galle (Matthäus 27:34) oder Myrrhe (Markus 15:23) in seinen Wein?  Wurde Jesus vor der dritten Stunde (Markus 15:25) oder nach der sechsten Stunde (Johannes 19:14-15) gekreuzigt?  Stand Jesus am ersten Tag wieder auf (Lukas 23:43) oder nicht (Johannes 20:17)?  Waren Jesus´letzte Worte: “Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!” (Lukas 23:46) oder waren sie: “Es ist vollbracht!” (Johannes 19:30)? 

Dies war nur eine kleine Auswahl aus einer langen Liste mit geschriebenen Ungereimtheiten, und sie unterstreichen die Schwierigkeit, dem Neuen Testament als Schrift zu vertrauen.  Nichtsdestotrotz gibt es welche, die in ihrer Errettung dem Neuen Testament vertrauen, und es sind diese Christen, die die Frage beantworten müssten: “Wo ist der “Christ” im “Christentum”?  “Dies ist in der Tat eine höchst gerechte Frage.  Auf der einen Seite haben wir eine Religion, die nach Jesus Christus benannt ist, aber auf der anderen Seite die Doktrinen des orthodoxen Christentums, mit anderen Worten, des Christentums der Dreieinigkeit (Trinität), die eigentlich allem widerspricht, was er (Jesus Christus) gelehrt hat. 

Ich weiß, ich weiß – diejenigen von euch, die jetzt nicht “Ketzer!” schreien, sammeln Feuerholz und errichten einen Scheiterhaufen.  Aber wartet.  Nehmt die vollgeladene Flinte herunter und hört zu.  Das Christentum der Dreieinig-keit behauptet, die Grundlage zu ihrer Doktrin aus einer Kombination der Lehren von Jesus und Paulus zu ziehen.  Das Problem hierbei ist, dass diese Lehren sich kein bisschen entsprechen.  In Wirklichkeit widersprechen sie einander. 

Nehmen wir ein paar Beispiele: Jesus lehrte das Gesetz des Alten Testaments; Paulus lehnte es ab.  Jesus lehrte orthodoxen jüdischen Glauben; Paulus predigte die Mysterien des Glaubens.  Jesus sprach von Rechenschaft; Paulus versprach Rechtfertigung durch Glauben.  Jesus beschrieb sich selbst als einen völkischen Propheten: Paulus definiert ihn als einen allgemeinen Propheten.[1]  Jesus lehrte Gebete zu Gott; Paulus setzte Jesus als einen Fürsprecher ein.  Jesus lehrte die göttliche Einheit; die Theologen des Paulus konstruierten die Dreieinigkeit.

Aus diesen Gründen halten viele Gelehrte Paulus für den Hauptverfälscher des Apostolischen Christentums und der Lehren Jesus´.  Viele früheren christlichen Sekten teilten diese Ansicht ebenfalls, einschließlich der im zweiten Jahrhundert bekannten christlichen Sekten “Adoptionisten”.  “Insbesondere betrachteten sie Paulus, einen der prominentesten Schreiber des Neuen Testaments, eher als einen Hauptketzer denn als einen Apostel.”[2]

Lehmann trägt hierzu bei:

“Was Paulus als ‘Christentum’ verkündete, war schiere Ketzerei, die weder auf dem jüdischen Glauben gründen konnte, noch auf den Lehren des Rabbi Jesus.  Aber wie Schonfield sagt: ‘Die Ketzerei des Paulus wurde zur Grundlage des othodoxen Christentums und die rechtmäßige Kirche wurde als ketzerisch verstoßen.’ …Paulus tat etwas, das Rabbi Jesus nie getan hatte und das er abgelehnt hatte.  Er dehnte Gottes Versprechen der Erlösung für die Nichtjuden aus; Er vernichtete das Gesetz Moses und er verhinderte den direkten Zutritt zu Gott, indem er einen Vermittler einführte. ”[3]

Bart D. Ehrman, vielleicht der maßgeblichste lebende Gelehrte der Textkritik, kommentiert:

“Paulus Ansicht wurde nicht von allen akzeptiert oder, so könnte jemand argumentieren, sogar weit anerkannt … Noch treffender, Paulus eigenen Briefe zeigen an, das es ausgesprochene, ernsthafte und aktive christliche Führer gab, die ihm deshalb vehement widersprachen und die Paulus Ansichten für eine Verdrehung der wahren Botschaft des Christus hielten ...  Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass er in dem Brief Paulus an die Galater andeutet, dass er Peter mit genau diesem Thema konfrontiert hat (Gal. 2:11-14).  Er stimmte in dieser Sache nicht mit ihm überein, das bedeutet, selbst nicht mit dem engsten Jünger Jesus´.”[4]

Als er die Ansichten einiger früher Christen in der Pseudo-Clementinen Literatur kommentierte, schrieb Ehrmann:

“Paulus hat den wahren Glauben aufgrund einer kurzen Vision verdreht, die er zweifellos missgedeutet hat.  Damit ist Paulus der Feind der Apostel, nicht ihr Anführer.  Er ist vom wahren Glauben abgeraten, ein Ketzer, der gebannt werden muss und kein Apostel, dem gefolgt wird.”[5]

Andere erhoben Paulus zum Heiligen.  Joel Carmichael ist ganz deutlich keiner von diesen:

“Wir sind ein Universum von Jesus entfernt.  Wenn Jesus kam, “nur um zu erfüllen” das Gesetz und die Propheten; wenn er dachte, dass “nicht das geringste, kein Pünktchen” würde “von dem Gesetz verloren gehen,” dass der Hauptbefehl war “Höre, o Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einer,” und dass “keiner gut war, außer Gott”….Was hätte er von Paulus Taten gehalten!  Paulus Triumph bedeutete die letzte Auslöschung des historischen Jesus; er kommt zu uns, einparfumiert mit Christentum, wie eine Fliege im Amber. ”[6]

Dr. Johannes Weiss trägt hierzu bei:

“Daher ist der Glaube an Christus, an dem die primitiven Kirchen und Paulus festhalten, etwas Neues verglichen mit den Predigten Jesus´; es war eine neue Art der Religion.”[7]

Eine neue Art der Religion – in der Tat.  Und aus diesem Grund frage ich: “Wo ist der “Christ” im “Christentum”?”  “Wenn das Christentum die Religion von Jesus Christus ist, wo sind dann die Gesetze des Alten Testaments und der strenge Monotheismus von Rabbi Jesus Christus orthodoxem Judaismus?  Warum lehrt das Christentum, dass Jesus der Sohn Gottes sei, wenn Jesus sich achtundachtzigmal selbst als “Menschensohn” bezeichnet hat und kein einziges Mal als “Sohn Gottes”?  Warum unterstützt das Christentum die Beichte vor Priestern und Gebete zu Heiligen, Maria und Jesus, wenn Jesus seinen Anhängern gelehrt hat:

“Darum sollt ihr also beten: ‘Unser Vater …’” (Matthäus 6:9)?

Und wer setzte einen Papst ein?  Bestimmt nicht Jesus.  Wahrlich, er mag Peter auf dem Felsen zugerufen haben, auf den er seine Kirche bauen wollte (Matthäus 16:18-19).  Wie auch immer, gerade fünf Verse später nennt er Petrus “Satan” und “ein Ärgernis”.  Und lasst uns nicht vergessen, dass dieser “Felsen” Jesus nach seiner Gefangennahme dreimal verleugnet hat – ein armseliges Zeugnis für Petrus´ Verbindung zu der neuen Kirche. 

Ist es möglich, dass die Christen Jesus von jeher verleugnet haben?  Indem sie den strengen Monotheismus Jesu´ in die Dreieinigkeit der Gelehrten Paulus´ umgewandelt haben, indem sie das Gesetz des Alten Testaments des Rabbi Jesus durch die “Rechtfertigung durch den Glauben” des Paulus ersetzt haben, indem sie die Vorstellung, Jesus habe die Sünden der Menschheit gesühnt, gegen die direkte Verantwortlichkeit, die Jesus lehrte, eingetauscht haben, indem sie Jesus´ Anspruch auf Menschlichkeit verwarfen und Paulus Idee von der Göttlichkeit Jesu´ übernahmen – wir müssen genau hinterfragen, in welcher Form das Christentum eigentlich die Lehren seines Propheten respektiert. 

Eine ähnliche Angelegenheit ist die Erläuterung, welche Religion tatsächlich die Lehren Jesu´ respektiert.  Also, wollen wir ´mal sehen: welche Religion verehrt Jesus Christus als Propheten, aber als Menschen?  Welche Religion hält an dem strengen Monotheismus, an Gottes Gesetzen und der Vorstellung von der direkten Verantwortlichkeit vor Gott fest?  Welche Religion lehnt Vermittler zwischen Mensch und Gott ab? 

Wenn du jetzt “Islam” geantwortet hast, liegst du richtig.  Und auf diese Weise finden wir die Lehren von Jesus Christus in der Religion des Islam besser dargestellt als im Christentum.  Diese Anregung ist nicht als Schlussfolgerung gedacht, sondern als Einführung.  Diejenigen, deren Interesse von der obrigen Diskussion angeregt wurde, sollten diese Angelegenheit ernst nehmen, ihren Verstand öffnen und dann ... weiterlesen!

Copyright © 2007 Laurence B. Brown.

Über den Autor:
Laurence B. Brown, MD, kann kontaktiert werden über: BrownL38@yahoo.comEr ist der Autor von “The First and Final Commandment” (Amana Publications) und “Bearing True Witness” (Dar-us-Salam).  Bald erscheinen noch ein Geschichtsthriller “The Eighth Scroll”, und eine zweite Auflage von The First and Final Commandment, überarbeitet und unterteilt in “MisGod'ed” und die Fortsetzung “God’ed”.



Footnotes:

[1] Jesus Christus war ein weiterer in der langen Reihe von Propheten, die zu den vom Weg abgeratenen Israeliten geschickt worden waren.  Er stellte deutlich fest: "Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel." (Matthäus 15:24)  Als Jesus seine Jünger auf dem Wege Gottes aussandte, wies er sie an: "Gehet nicht auf der Heiden Straße und ziehet nicht in der Samariter Städte, sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel." (Matthäus 10:5-6).  Die ganze Zeit seiner Berufung hindurch wurde niemals berichtet, dass Jesus Nichtjuden konvertiert habe; es wird vielmehr berichtet, dass er eine Kanaanitin zurückgewiesen hat, die ihn um Hilfe bat, indem er sie mit einem Hund verglich (Matthäus 15:22-28 und Markus 7:25-30).  Jesus selbst war ein Jude, seine Jünger waren Juden und beide - er und sie - richteten ihr Augenmerk ganz auf die Juden.  Man wundert sich, was das jetzt für uns bedeutet, denn die meisten derer, die Jesus als ihren "persönlichen Erlöser" ansehen, sind keine Juden und nicht von den "verlorenen Schafen des Hauses Israel", zu denen er gesandt wurde. 

[2] Ehrman, Bart D. The New Testament: A Historical Introduction to the Early Christian Writings. 2004. Oxford University Press. S. 3.

[3] Lehmann, Johannes. 1972. The Jesus Report. Übersetzt von Michael Heron. London: Souvenir Press. S. 128, 134.

[4] Ehrman, Bart D. 2003. Lost Christianities. Oxford University Press. S. 97-98.

[5] Ehrman, Bart D. 2003. Lost Christianities. Oxford University Press. S. 184.

[6] Carmichael, Joel, M.A. 1962. The Death of Jesus. New York: The Macmillan Company. S. 270.

[7] Weiss, Johannes. 1909. Paul and Jesus. (Übersetzt von Rev. H. J. Chaytor). London and New York: Harper and Brothers. p. 130.

Arm Bester

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