Wildeman, Niederlande
Beschreibung: Wie ein durchschnittlicher Holländer Muslim wurde.
- von Wildeman
- Veröffentlicht am 30 Jun 2014
- Zuletzt verändert am 30 Jun 2014
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Normalerweise mache ich das nicht. Das heißt, ich nehme mir normalerweise nicht so viel Zeit, irgendjemandem zu erzählen, wie ich zum Islam konvertiert bin oder sollte ich sagen, wie ich zum Islam zurück gekehrt bin.
Sieh mal, wenn die Leute heraus finden, dass du Muslim geworden bist, hörst du immer und immer wieder dieselben Fragen. Wie haben deine Eltern darauf reagiert? Liebst du eine muslimische Frau? Wirst du in der islamischen Gemeinde als Konvertierter akzeptiert?
Aber am meisten fragen mich die Leute: Warum bist du zum Islam konvertiert?
Ich fand es schockierend, dass sogar Muslime fragen, warum ich zum Islam konvertiert bin. "Nun, dies ist die einzig wahre Religion, denkst du daran?" lautet normalerweise meine Antwort. Ich bin nicht mit meinem Auto in einen Baum gerast und fast gestorben, ich hatte keinen Augenblick, wo ich ein Licht gesehen habe. Ich weiss noch nicht einmal, wann ich genau Muslim geworden bin.
Einige Leute sind überrascht, aber ich habe nicht mal nach Gott gesucht. Ich habe nicht nach einem Grund für dieses Leben gesucht. Ich habe nicht nach einem Sinn gesucht.
Tatsächlich habe ich nur nach einem Buch gesucht. Ich ging in einen Buchladen und wusste nicht, was ich kaufen würde. Das muss irgendwann 2003 oder 2004 gewesen sein. Ich lese gerne, mit einem besonderen Interesse für Bücher, die im Buchladen irgendwo zwischen "jüngere Geschichte", „Philosophie" und „Soziologie" verkauft werden.
Da sprang mir ein grünes Buch ins Auge. Es hieß: "Islam; Values, Principles and Reality" (Islam, Werte, Prinzipien und Wirklichkeit). Ich hielt es in der Hand, betrachtete es und mir fiel auf, dass ich zwar wenige Muslime kannte, jedoch überhaupt keine Vorstellung davon besaß, woran sie alles glauben.
Zwischenzeitlich ist der Islam überall in den Medien und scheint sowohl interne wie auch äußere Angelegenheiten zu beeinflussen. Ich entschied mich, das Buch zu kaufen und zu sehen, was dies für eine Religion ist. Ich ging zur Kasse und kaufte das Buch, in völliger Unkenntnis von der viereinhalb Jahre langen Reise, zu der ich gerade aufgebrochen war, die mich auf direktem Weg zu meiner Schahada (dem Glaubensbekenntnis) führen sollte.
Bevor ich begann über den Islam zu lesen, hatte ich bereits einige negative Assoziationen bezüglich dieser Religion in meinem Kopf. Zum Beispiel fragte ich mich, wie ein praktizierender Muslim je denken konnte, er sei ein guter, frommer Mann, während er zur gleichen Zeit seine eigene Frau unterdrückt.
Oder beispielsweise fragte ich mich, warum Muslime einen würfelförmigen Stein in Mekka anbeteten, wo doch Statuen oder Bauwerke doch keine Macht besitzen und keinem helfen können.
Ich konnte nicht verstehen, warum Muslime so intolerant gegenüber anderen Religionen waren, anstatt einfach zu sagen, dass alle an denselben Gott glauben. Mit diesen Fragen im Kopf begann ich zu lesen.
Nach dem ersten Buch folgte das zweite. Nachdem zweiten kam ein drittes und so weiter. Nach ein paar Jahren hatte ich so einige Bücher über den Islam gelesen und war ziemlich überrascht. Ich fand heraus, dass fast alles, von dem ich angenommen hatte, es sei Teil des Islam, und das mir missfiel, in Wirklichkeit dem Islam widersprach.
Ich fand heraus, dass der Prophet Muhammad, Gottes Segen und Frieden seien auf ihm, gesagt hatte, dass man erkennen kann, wie gut ein Gläubiger ist, an der Art wie er seine Frau behandelt. Ich fand heraus, dass Muslime nicht die Kaaba anbeten, sondern sie lehnen es ab, Statuen oder ähnliches anzubeten.
Ich fand heraus, dass die islamische Zivilisation in ihrer gesamten Geschichte – außer vielleicht in der letzten Zeit – das beste Vorbild für religiöse Toleranz auf der Erdoberfläche gewesen ist.
Ich musste von den meisten Dinge, die der Islam uns befiehlt oder wie man sich verhalten soll, nicht erst überzeugt werden, nachdem ich viele Grundregeln gefunden hatte, mit denen ich bereits übereinstimmte, bevor ich über den Islam gelernt hatte. Ich las meine eigene Meinung bei vielen Themen, doch die Bücher sagten immer wieder: "das ist Islam".
In meiner Umgebung wurde damals nicht viel Dawah gemacht. Nun, zumindest nicht pro-aktiv. Die Hilfe, die ich erhielt, war was ich fragte, wenn ich mit Leuten um mich herum sprach. Dies sagt nichts darüber aus, wie Dawah in den Niederlanden organisiert ist, es waren einfach nur wenige Leute um mich, die dabei waren.
Als dann der Ramadhan kam und ich mich entschloss, einen Versuch zu machen – denn kein Buch kann dir erzählen, wie es sich tatsächlich anfühlt – ging ich zu meinen muslimischen Mitarbeitern und sagte ihnen, ich würde mit ihnen fasten. Ich kaufte einen Qur´an und fand einen 30-Tage-Kalender im Internet.
Als ich den anderen davon erzählte, den ganzen Qur´an zu lesen und im Schawal [dem Mondmonat nach Ramadan] zu fasten, hatten einige von ihnen noch nie davon gehört oder es selbst getan. Ich brachte Milch und Datteln mit zur Arbeit und erklärte ihnen, dass dies eine Sunna ist.
Ihre Mütter oder Frauen kochten Essen, das wir bei der Arbeit aßen, so lernte ich auch einige neue Gerichte kennen.
Ich lernte eine Menge in jenem Ramadhan, ebenso wie auch die anderen. Und wir hatten eine Menge Spaß. Mein erstes Eid war eher wie eine Beerdigung, aber es war ein großartiger Monat gewesen.
Nach dem Monat Ramadhan ging ich zur Moschee, um Zakat zu zahlen. Ich fand, dass Geld für einen guten Zweck zu geben, das Richtige ist, obwohl es für mich, da ich nicht Muslim war, gar keinen Grund für mich gab, zu zahlen.
Hier traf ich zum ersten Mal den Schatzmeister der Moschee in meiner Heimatstadt. Er fragte mich, ob ich Muslim bin. "Nein, mein Herr, ich bin kein Muslim," war meine Antwort, "aber ich habe den Monat Ramadan gefastet."
Er sagte mir, ich soll es leicht nehmen, mir Zeit nehmen und mich nie in Dinge stürzen.
Als die Monate vergingen, las ich weiter Bücher über den Islam. Die meisten der Bücher, die ich las, hatten Nicht-Muslime geschrieben, wie Karen Armstrong. Ich nahm mir auch Zeit, zu lesen, was Leute an negativem über den Islam sagten. Ich las über religiös motivierten Terrorismus, über Zusammenstöße zwischen Zivilisationen und so weiter.
Allerdings fand ich für jede Frage, die ich aufwerfen konnte, im Islam eine überzeugende Antwort. Dies bedeutet nicht immer, dass die Muslime, mit denen ich sprach, eine überzeugende Antwort hatten, sondern die meisten Antworten hatte ich aus diesen Büchern.
Am Ende des nächsten Ramadhan ging ich zurück zur Moschee, um Zakah zu zahlen. Wieder traf ich den Schatzmeister und er erkannte mich. Er fragte mich wieder, ob ich Muslim sei.
"Nein, mein Herr, ich bin kein Muslim," war meine Antwort, "aber sie rieten mir, es leicht zu nehmen, nicht wahr?"
Er schüttelte ruhig den Kopf und sagte: "Ja, nimm es leicht, aber nicht zu leicht!"
Nun begann mein letztes Jahr als Nicht-Muslim. Ich hatte bereits damit aufgehört, Alkohol zu trinken. Ich hörte auf, Zigaretten zu rauchen. Ich versuchte mich selbst und andere dazu zu bewegen, Gutes zu tun; ich versuchte mich selbst und andere davon abzubringen, Schlechtes zu tun.
Ich fuhr in den Ferien in die Türkei und warf einen Blick in einige der größten Moscheen. Mit jedem Schritt, den ich unternahm, mit jedem Tag, der verging, konnte ich die Anwesenheit Gottes in meinem Leben wachsen spüren.
Ich ging in die Natur und zum ersten Mal konnte ich vor mir die Zeichen des Schöpfers erkennen. Ich versuchte manchmal zu beten – etwas, das ich nie von mir selbst aus getan hatte – was offensichtlich nicht viel mit dem gemein hatte, wie ich jetzt bete. Ich las mehr und mehr, aber nun fing ich an, Informationen über den Islam aus dem Internet zu suchen.
Auf Hyves, einer bekannten niederländischen Netzwerk Webseite, sprach mich eine niederländische Konvertierte an. Sie fragte mich, ob ich Muslim sei, und ich antwortete ihr, dass ich noch nicht Muslim sei. Sie bat mich, zu ihrem Haus herüber zu kommen und ihren Ehemann zu treffen. Er war seit seiner Geburt Muslim, praktizierend und in Ägypten geboren.
Er und ich aßen zusammen und redeten den Rest des Abends über den Islam. Beim zweiten Mal, als ich dort war, zeigte er mir die korrekte Art zu beten (auf meine Bitte hin). Ich versuchte es so gut wie möglich, und er schaute mir dabei zu. Als wir dann eine kurze Pause machten, stellte er mir die Frage.
"So, denkst du, dass du bereit bist, dies zu tun?"
"Ja, ich denke, ich bin bereit."
Mir wurde klar, dass ich bereits Muslim geworden war. Ich hatte meine Schahada noch nicht ausgesprochen, also war es noch nicht offiziell, doch irgendwann in den vergangenen Jahren war ich ein Muslim geworden. Ich war zu dem Glauben gelangt, dass es keinen Gott gibt, der zurecht angebetet wird, außer dem Einen, Wahren Gott, dem Schöpfer.
Ich war zu dem Glauben gelangt, dass Muhammad Sein Gesandter war, Sein letzter Gesandter, der die Religion vervollständigte. Ich wollte fasten, ich wollte Zakah geben, ich wollte mein Salah machen [Gebet], ich träume jeden Tag davon, Hajj zu machen.
Mein Weg verlief durch Bücher, ich bin von der Theorie gekommen. Es war eine vernünftige Wahl, keine emotionale. Ich betrachtete die Informationen, die es gab, verglich sie und dachte darüber nach. Islam war die Antwort auf jede Frage. Eine oder zwei Wochen später gingen er und ich in die Moschee in seinem Wohnort. Er hatte bereits mit dem Imam gesprochen, daher wussten alle, dass ich kommen würde. Mein Vater kam und brachte eine Kamera.
Der Imam sprach die Schahada Stück für Stück. Ich sprach ihm nach, Stück für Stück.
Als der Imam Du´a [Bittgebet] sprach, übersetzte mein ägyptischer Bruder für mich auf holländisch. Ich fühlte mich, als wäre ich Meilen um Meilen gerannt und hätte nun die Ziellinie erreicht. Das meine ich wörtlich, ich war außer Atem, als wäre ich gerannt. Langsam kam ich wieder zu Atem; ich fühlte mich ruhig und glücklich.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich schließlich Nourdeen geworden war.
Ich ging zu der Moschee in meinem Wohnort. Als ich in das Gebäude eintrat, traf ich den Schatzmeister. Er fragte wieder, ob ich Muslim sei.
"Ja, mein Herr, das bin ich und mein Name ist Nourdeen!" sagte ich mit einem Lächeln.
"Alhamdulillah," antwortete er und fügte schnell hinzu: "…letztendlich!"
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