Vergebung vs. Vergeltung (teil 2 von 2): den Groll überwinden und vergeben
Beschreibung: Warum Vergebung einfach besser als Vergeltung sein könnte.
- von Aisha Stacey (© 2016 IslamReligion.com)
- Veröffentlicht am 14 Nov 2016
- Zuletzt verändert am 14 Nov 2016
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Wie im 1. Teil erklärt, versteht Gott das komplizierte Wesen des Menschen. Manche Menschen würden ohne irgendeine Rückzahlung oder Vergeltung gegenüber denen, die ihnen Unrecht getan haben, nicht zufrieden sein, und das mit Recht. Die Religion des Islam teilt uns verschiedene Dinge mit, die eine Überlegung Wert sind, bevor Vergeltung geübt wird.
Der erste und möglicherweise wichtigste Grund lieber zu vergeben als Vergeltung zu üben, ist, dass der Qur´an und die Überlieferungen des Propheten Muhammad und ermutigen, dies zu tun. Vergebung bedeutet, auf sein Recht auf Vergeltung, das dir gegenüber jemandem zusteht, der dir Unrecht zugefügt hat, zu verzichten. Gott bietet denjenigen, die vergeben, unzählige Belohnungen. Es gehört tatsächlich zu den guten Sitten und dem edlen Charaktereigenschaften, nach denen alle Gläubigen streben sollten. Selbst unter den Qualen der Verzweiflung sind diese Belohnungen außerordentlich wertvoll und wenn jemand Geduld üben kann, bevor er Vergeltung übt, wird er herausfinden, dass Vergeben wirklich besser ist.
"…den Groll unterdrücken und den Menschen vergeben. Und Gott liebt die Rechtschaffenen." (Quran 3:134)
Der Prophet Muhammad sagte: "Am Tag des Gerichts wird ein Rufer sagen: ´Wer von euch sind die Leute der Güte?’ Da werden einige Leute aufstehen. Zu ihnen wird gesagt werden: ‘Tretet ins Paradies ein’. Die Engel werden ihnen begegnen und sie fragen: ‘Wohin?’ Sie antworten: ‘Zum Paradies’. Die Engel sagen: ‘Bevor ihr gerichtet werdet?’ Sie antworten: ‘Ja’. Die Engel fragen: ‘Wer seid ihr?’ Sie antworten: ‘Wir sind Leute der Güte’. Die Engel fragen: ‘Und was war eure Güte?’ Sie antworten: ‘Wir pflegten mild zu sein, wenn wir unterdrückt wurden, und geduldig, wenn wir angegriffen wurden, und vergebend, wenn wir beleidigt wurden.’ Dann sagen die Engel: ‘Tretet im Paradies ein, welch´ eine exzellente Belohnung für die (frommen, guten) Arbeiter’."[1]
Gott ermahnt uns immer wieder, nachzudenken, geduldig zu sein, unseren Groll zu überwinden und zu vergeben. Einer der Gefährten des Prophete Muhammads, sagte einmal, dass er während jedes Disputs bezüglich der Vergeltung den Propheten niemals etwas anderes befehlen sah als die Erlassung. Wenn jemand ungerecht zu uns ist oder uns etwas Schlechts tut, werden wir ermutigt, mit milden und gütigen Taten zu antworten, damit der Hass unter uns verschwindet.
"Und nimmer sind das Gute und das Böse gleich. Wehre (das Böse) in bester Art ab, und siehe da, der, zwischen dem und dir Feindschaft herrschte, wird wie ein treuer Freund sein." (Quran 41:34)
"Und wenn ihr bestraft, dann bestraft in dem Maße, wie euch Unrecht zugefügt wurde; wollt ihr es aber geduldig ertragen, dann ist das wahrlich das Beste für die Geduldigen." (Quran 16:126)
Der Islam gestattet die Vergeltung als Mittel, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen, den Groll zu beruhigen, emotionales Leiden zu erleichtern, um eine Unterdrückung des Verbrechers zu verhindern und übermäßiger Gewalt ein Ende zu setzen. Gleichzeitig ermutigt er den unrechtmäßig Behandelten, zu vergeben und dem, der ihm geschadet hat, zu verzeihen. Nachdem wir dies gesagt haben, lohnt es sich, uns daran erinnern, wenn man versucht, zwischen der zulässigen Vergeltung und der Vergebung zu entscheiden, dass Gott Selbst der Gerechteste ist.
"Und Wir werden Waagen der Gerechtigkeit für den Tag der Auferstehung aufstellen, so daß keine Seele in irgendeiner Weise Unrecht erleiden wird. Und wäre es das Gewicht eines Senfkorns, würden Wir es hervorbringen. Und Wir genügen als Rechner." (Quran 21:47)
Ein weiterer guter Grund über Vergebung nachzudenken, bevor man sich für Vergeltung oder Entrüstung entscheidet, ist, dass es eine direkte Verbindung zwischen der Art gibt, wie wir andere behandeln und der Art und Weise, wie Gott uns behandelt. Der Prophet Muhammad pflegte, folgende Parabel zu verwenden, um dies zu verdeutlichen. "Es gab einen Händler, der den Menschen ihre Kredite auszudehnen pflegte. Fand er einen seiner Kunden mit knappen Mitteln vor, sagte er zu seinen Assistenten: ‘Streicht seine Schuld, vielleicht wird Gott uns vergeben.’ Gott hat ihm vergeben."[2]
Gott beschreibt die Gläubigen:
"…und (für jene, die) die schwersten Sünden und Schändlichkeiten meiden und, wenn sie zornig sind, vergeben " (Quran 42:37)
Die Unfähigkeit zu vergeben kann uns tief beeinflussen, emotional, spirituell und sogar körperlich. Sie verursacht Stress und Krankheiten. Wenn du jemandem vergibst, gibst du nicht nur dein Recht auf Vergeltung auf, sondern du gibst auch deine Rachegefühle und deinen Groll auf. Moderne Forschung spezifisch über die gesundheitlichen Vorteile der Vergebung zeigen, dass Menschen, die diese mentale Verschiebung zwischen Vergeltung und Vergebung machen können, vielerlei Nutzen davon haben, mit denen sie nicht rechnen[3]. Eine Studie behauptet sogar, dass Menschen, die vergeben, länger leben.[4]
Vergeben und vergessen ist eine Aussage, die man häufig hört, und während es bei einigen Verletzungen, die gegen uns begangen wurden, fast unmöglich zu sein scheint, ist Vergeben dennoch gleichbedeutend mit dem Vertrauen auf Gott Allein. Gott wird die Last von unserem Geist und unseren Herzen nehmen. Das Zurückhalten von Vergebung basiert häufig auf einem unsicheren Versuch, uns zu schützen und in unserem kleinen Einflussbereich die Kontrolle zu behalten. Ein Gläubiger weiß allerdings, dass dies nur eine Illusion von Sicherheit und Kontrolle ist. Gott ist es, Der uns beschützt und Er ist der Eine mit der Macht, alle Dinge und Ereignisse zu kontrollieren. Von einem Blatt, das von einem Baum herab fällt, bis hin zur Zeit unseres Todes.
"Bei Ihm befinden sich die Schlüssel zum Verborgenen; nur Er kennt sie. Und Er weiß, was auf dem Lande ist und was im Meer. Und nicht ein Blatt fällt nieder, ohne daß Er es weiß…" (Quran 6:59)
Vielleicht das erstaunlichste Beispiel, dass Vergebung besser ist als Vergeltung, gaschah als der Prophet Muhammad die Stadt Mekka eroberte. Seine Anhänger und er hatten die Stadt verlassen, nachdem sie missbraucht, gefoltert und aus ihren Häusern vertrieben worden waren, gehungert hatten, gedemütigt, ermordet und verstümmelt worden waren. Als er bescheiden auf einem Esel in Mekka einritt, hätte der Prophet Muhammad die Macht gehabt, jede Rache, die er wollte, zu nehmen. Er hätte auf jede Weise, die angebracht war, Vergeltung üben können, und dennoch entschied er sich für Vergebung. Er sprach zu den Menschen in Mekka dieselben Worte, die der Prophet Jusuf zu seinen Brüdern gesagt hatte:
"Er sprach: "Kein Tadel treffe euch heute. Möge Gott euch vergeben! Denn Er ist der Barmherzigste Erbarmer." (Quran 12:92)
Fußnoten:
[1] Al-Baihaqi
[2] Sahieh Al-Bukhari, Sahieh Muslim
[3] http://www.psychologytoday.com/blog/fulfillment-any-age/201301/live-longer-practicing-forgiveness
[4] Toussaint, L. L., Owen, A. D., & Cheadle, A. (2012). Forgive to live: Forgiveness, health, and longevity. Journal Of Behavioral Medicine, 35(4), 375-386. doi:10.1007/s10865-011-9362-4
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