Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 6 von 6)
Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat. Teil 6: Ein Saatkorn trägt Früchte.
- von Gai Eaton
- Veröffentlicht am 15 Mar 2010
- Zuletzt verändert am 15 Mar 2010
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Ich brauchte eine Zuflucht. Ich war verliebt in Jamaica, wenn es möglich ist, sich in einen Ort zu verlieben, und ich hasste Ägypten einfach nur, weil es nicht Jamaica war. Wo waren meine blauen Berge, mein tropisches Meer, meine hübschen westindischen Mädchen? Wie hatte ich überhaupt den einzigen Ort verlassen können, an dem ich mich jemals zuhause gefühlt hatte? Aber das war nicht alles, weit entfernt; ich hatte nicht nur einen Ort verlassen, sondern auch eine junge Frau, ohne die das Leben jetzt leer und wenig lebenswert zu sein schien. Ich lernte, was das Wort „Besessenheit“ wirklich bedeutet; eine schmerzhafte Lektion, aber eine nützliche für jemanden, der versucht, sich selbst und andere zu verstehen. Nichts aus meinem früheren Leben hatte irgendeinen Wert; Realität war mein Bedürfnis nach dieser einen Person, die meine Gedanken von morgens bis abends beschäftigte und in meine Träume hineinstapfte. Wenn ich in meinen Pflichtkursen den Studenten laut Liebesgedichte vorlas, rannen mir Tränen über die Wangen und sie sagten zu einander: „Das hier ist ein Engländer mit Herz. Wir dachten alle Engländer wären kalt wie Eis“.
Diese Studenten, insbesondere eine kleine Senior-Gruppe von fünf oder sechs, waren ebenfalls eine Zuflucht. Ich konnte Ägypten dafür hassen, dass ich 8 000 Meilen davon entfernt war, wo ich gerne gewesen wäre, aber ich liebte dies jungen Ägypter. Ich erfreute mich an ihrer Wärme, an ihrer Offenheit und an dem Vertrauen, das sie in mich setzten, dass ich ihnen beibringen wurde, was sie wissen mussten; und schon bald began ich, ihren Glauben zu lieben, denn diese jungen Leute waren gute Muslime. Ich hatte keine Zweifel mehr. Wenn ich es für möglich gehalten habe, mich einer Religion anzuschließen – mich von einer Religion eingrenzen zu lassen – konnte dies nur der Islam sein. Aber jetzt noch nicht! Ich dachte an St. Augustins Gebet: “Herr, mache mich keusch, aber noch nicht jetzt”, in dem Wissen, dass zu allen Zeiten andere junge Männer dachten, sie hätten einen Ozean an Zeit vor sich, um mit derselben Einschränkung um Keuschheit oder Frömmigkeit gebetet hatten; und viele wurden in demselben Zustand vom Tod überrascht.
Es blieb sich gleich, möglicherweise wurde ich mein Zögern nie überwinden. Mit der Absicht, bei Gelegenheit den Islam anzunehmen, hätte ich die Entscheidung vielleicht Jahr für Jahr vor mir her geschoben und dann immernoch gesagt: „Noch nicht jetzt!“ wenn mich das Alter überkam. Aber es sind nicht alle Dinge gleich. Die Sehnsucht nach Jamaica und nach dieser Person wuchs im Verlauf der Monate an, anstatt sich zu vermindern, als würde es sich selbst nähren. Eines Morgens machte ich die Entdeckung, dass mich nur der Geldmangel davon abhielt, zu der Insel zurückzukehren. Ich zog Erkundigungen ein und fand heraus, dass ich die Reise auf dem Deck eines Dampfers für £70 machen könnte. Ich war mir sicher, dass ich die Summe bis zum Ende der Semesters sparen konnte, und mein Leben war sofort wie verändert. In dem Wissen, dass der Ausweg nahe war, konnte ich sogar anfangen, Kairo zu genießen. Aber eine Frage verlangte jetzt nach einer festen Antwort, und die Antwort konnte nicht weiter verschoben werden. Die Gelegenheit in den Islam einzutreten, könnte nie wieder kommen. Vor mir war eine offene Tür. Ich dachte, wenn ich jetzt nicht hindurchgehe, könnte sich die Tür für immer schließen. Ich wußte bereits, was für ein Leben ich in Jamaica führen wurde und zweifelte, ob ich die Charakterstärke haben würde, in dieser Umgebung als Muslim zu leben.
Ich erwartete mit gutem Grund, dass es für die anderen Menschen schockierend scheinen musste, und nicht nur für meine Mitmuslime. Ich entschied, wenn ich ´das Saatkorn in meinem Herzen´ pflanzte, den Islam in der Hoffnung anzunehmen, dass das Saatkorn eines Tages keimen und zu einer gesunden Pflanze heranwachsen würde. Ich will hierfür keine Entschuldigungen hervorbringen, und ich würde niemanden rügen, der mich wegen der Unaufrichtigkeit und einer falschen Absicht beschuldigt. Aber es ist möglich, dass sie Gottes Bereitschaft, der menschlichen Schwäche zu vergeben, unterschätzen und Seine Kraft eine Pflanze und Frucht aus einem Saatkorn hervorzubringen, das in unfruchtbarem Boden gesät wurde. Auf jeden Fall war ich unter einer Art von Zwang, und ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich ging zu Martin Lings, sprudelte meine Geschichte hervor und bat ihn, meine Schahada, mein Glaubensbekenntnis, anzunehmen. Obwohl er zuerst zögerte, machte er es. Voller Furcht und auch freudig, betete ich zum ersten Mal in meinem Leben. Am nächsten Tag fastete ich, weil Ramadhan war, etwas, das ich nie zuvor gedacht hatte, dass ich es tun könnte. Bald danach erzählte ich meinen Senior-Studenten die Neuigkeiten und ihre Freude war wie eine warme Umarmung. Ich hatte zuvor gedacht, dass ich ihnen nahe war, aber jetzt verstand ich, dass es immer eine Grenze zwischen uns gegeben hatte. Jetzt war die Grenze niedergerissen, und ich war als ihr Bruder akzeptiert. In den sechs Wochen, die vor meiner heimlichen Abreise noch blieben (ich hatte meinem Vorsitzenden nicht erzählt, dass ich gehen würde) kam jeden Tag einer von ihnen, um mir Qur´an beizubringen. Ich betrachtete mein Spiegelbild. Das Gesicht war dasselbe, aber es verhüllte eine andere Person. Ich war Muslim! Immer noch in einem Zustand des Erstaunens ging ich in Alexandria an Bord und segelte einer ungewissen Zukunft entgegen.
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